Samstag, 23. April 2016

Spieltheorie und Nash-Gleichgewicht in der Ökonomie – Wenn Blinde über Farben reden



Was ist denn nun eigentlich diese sagenumwobene Spieltheorie? In nullter Näherung erst einmal eine recht simple Erklärung von Interaktion, beschrieben wie in einem Spiel. Im überwiegenden Teil der heut zu Tage zum Zeitvertreib benutzen Gesellschaftsspiele, geht es meistens gegen einander, sprich, jeder versucht sich geschickter an zu stellen als seine Gegner. Die Spieltheorie beschreibt in vereinfachter Form den Zustand der Interaktionen, wenn das alle versuchen. Die Mathematische Beschreibung dieses Zustandes kann bei ebenfalls massiver Vereinfachung der Realität beschreibend auf diese angewandt werden, wobei versucht wird bei der Lösung der zugrundeliegenden Gleichungen ein sogenanntes Nash-Gleichgewicht her zu stellen. Das wiederum bedeutet, es ist nur dann eine Lösung eines „Spiels“ sinnvoll, wenn diese das Spiel nicht aus sich selber heraus zerstört, also stabil ist. Diese an sich erst mal sehr sinnvolle Beschreibung abgeschlossener Bezugssysteme wird dem 2015 bei einem Autounfall verstorbenen Mathematiker John Nash zugeschrieben, der dieses Endstadium meist egoistisch enervierter Entscheidungsprozesse (Endstadium, weil: es kann sich niemand mehr verbessern. Ist dieses Stadium erreicht und stabil spricht man von einem Nash-Gleichgewicht) in seiner Dissertation über nicht kooperative Spiele (hier war es Poker) als erster beschrieb. Der zugegebenermaßen etwas provokante Titel meines Beitrages handelt nun davon, dass dieser an sich extrem sinnvolle Ansatz in der Ökonomie, bzw. von deren Ausführenden bis zur Unkenntlichkeit vergewaltigt wird. Meine Behauptung leitete sich aus dem Studium unzähliger Artikel und postulierter Anwendungsfälle dieses Mathematischen Konstrukts von Menschen ab, deren Naturwissenschaftlicher Horizont offensichtlich den einer madagassischen Lemure nicht sonderlich übersteigt. Heerscharen ehrgeiziger Anzugträger in Spe müssen im Grundstudium der Ökonomie die Auswüchse der Anwendung dieses mathematischen Theorems über sich ergehen lassen – gleichwohl meistens ohne es zu verstehen (oder verstehen zu wollen).  Richtig angewendet kann die Spieltheorie in erheblichem Maße dazu beitragen Strategien zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen, aber sie wird eben meistens in der Wirtschaft nicht richtig angewandt sondern die reine Ausführung als solche, als Feigenblatt für Unwissenheit und Überforderung der Deutungsbefugten verwendet. Oder besser gesagt, sie wird missbräuchlich verwendet um eine Legitimation für Auswüchse egomaner Entscheidungsträger zu produzieren. Genauso wie Darwins Evolutionstheorie permanent in der Öffentlichen Wahrnehmung und den Medien mit „der Stärkere setzt sich durch“ in Gänze falsch übersetzt wird, und daraus totalitäre Ansprüche bis hin zu hegemonialen Deutungshoheit marktradikaler Wirtschaftszweige abgeleitet werden, genau so wird die an sich genial (einfache) Beschreibung der Spieltheorie in monokausale Pseudozusammenhänge übersetzt, die am Ende des Tages die Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Durchschnittswert als Ergebnis hat. Konkret bedeutet das, dass Die Spieltheorie so angewendet, das komplexe Wesen Mensch auf sein instinktives und impulsgesteuertes Handeln nach Aktio und Reaktio reduziert. Durch das Postulat der egoistischen Maxime als rationales Handlungskonzept ergeben sich rechnerische Quellen entlang derer durch monokausale Motivinterpretationen vermeintlich ausgesprochen präzise Vorhersagen produziert werden können. Dabei lässt die Spieltheorie aber außer Acht, dass sich so lediglich der archaisch-prähistorische Bereich des menschlichen Wesens beschreiben lässt, und führt das eigentliche Menschsein ad absurdum.  Erhebt man diese Art der ökonomischen Beschreibung des Menschen aber zur Grundlage unseres Wirtschaftssystems, wird das deskriptive Modell zur normativen Kraft des Faktischen, wodurch die massive Reduktion in der Beschreibung des Menschen zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird. Und genau das haben wir anscheinend mittlerweile erreicht, wenn ich mich in Bezug auf Produktvielfalt, wirtschaftlichen Interessensvertretungen und marktradikalen Grundrichtungen so umschaue. Das Endstadium einer solchen Entwicklung kennen wir bereits. Wir müssen uns nur fragen, ob wir einen solchen ökonomischen Friedhof wie das System der USA WIRKLICH auch wollen. Es gibt bezüglich der blödsinnigen Auswüchse einer solchen in Teilen fast schon religiösen Verheerung einer Rechenvorschrift ein meines Erachtens sehr schönes Beispiel aus jüngster Zeit. Da wurde die Spieltheorie auf die Griechenlandkriese angewandt, mit folgendem Ergebnis, wie die ansonsten von mir nicht gerade geliebte FAZ wundervoll zusammengefasst hat (auch wenn deren Artikel ausgesprochen pro Spieletheorie daher kam):

„Für Griechenland wäre es am besten, wenn es nicht spart, Deutschland aber Eurobonds unterstützt, und umgedreht wäre es für Deutschland am besten, wenn Griechenland spart, Deutschland aber Eurobonds vermeiden kann“, analysierte die Bank of America und zeigte das Nash-Gleichgewicht auf: Griechenland spart nicht, und Deutschland verhindert Eurobonds.

Solche offenkundig unsinnigen Resultate der von Ökonomen angewandten Spieltheorie wird in Management kreisen aber durchaus für bare Münze genommen und Vorgehensweisen daran ausgerichtet. Da wundert einen auch nicht mehr, dass Konzernstrategien zumeist entweder so viele nichtssagende Allgemeinplätze beinhaltet, dass sie den Begriff Strategie nicht mal im Ansatz verdienen, oder eben komplett realitätsfremd irgendwelchen Geisterzahlen hinterher gerannt wird.

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